Von einer explizit postmodernen Architektur ist in der deutschsprachigen Schweiz selten die Rede, denn sie fordert die Behauptung einer langen Moderne bis zur Swiss Box der 1990er Jahre heraus. Wenn, dann wird versucht, eine «andere Postmoderne» zu konstruieren, um möglichen negativen Assoziationen aus dem Weg zu gehen. Erneut wird so aber ein Sonderfall Schweiz konstruiert. Rezeptionsgeschichtliche Beiträge widmen sich zwar Aldo Rossis Zeit an der ETH Zürich und der daraus hervorgegangenen Analogen Architektur, den Verbindungen von Denise Scott Brown und Robert Venturi zur Archithese und den daraus entstandenen Debatten des sogenannten Realismus oder den materialtechnisch hochwertigen Entwürfen von Trix und Robert Haussmann. Eine postmoderne Alltagsarchitektur, zwischen Rorschach und Olten, Aesch und Sargans, bleibt jedoch architekturhistorisch unbeachtet und somit blinder Fleck. Der diskursive Abwehrreflex gegenüber der Postmoderne (im Sinne einer contested category), wie er für die Deutschschweiz in Anlehnung an die an Habermas orientierten Diskurse («Anti-Aufklärung!») symptomatisch ist, steht in Opposition zur Aussicht aus dem Zugfenster im Mittelland.
Das Projekt «Auf den Spuren der Postmoderne» versucht mittels einer breit angelegten Diskursanalyse und punktuellen Tiefenbohrungen in der deutschschweizer Alltagsarchitektur, diese Widersprüche aufzuspüren und zu beleuchten.
In einem ersten Schritt wurden rund 700 Beiträge der Fachpresse von 1970 bis 1990 untersucht. Hierunter fielen nicht nur theoretische, akademische Beiträge, sondern auch Beiträge zur reinen Baudokumentation oder Artikel aus dem Bereich der Wohnberatung. Es zeigte sich, wie sich gängige Narrative einer architektonischen Postmoderne aus einem theoretisch reflektierten Kontext heraus popularisierten und sich Elemente eines Fachdiskurses in einen Interdiskurs übersetzten. Untersucht wurden: Archithese, Werk, Bauen + Wohnen, Schweizer Ingenieur und Architekt, Architecture Suisse (AS), Hochparterre, Raum und Wohnen, und Ideales Heim.
In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob und über welche Kanäle sich diese Narrative – trotz teilweiser medialer und auch akademischer Kritik – epigonenhaft in die Deutschschweizer Alltagsarchitektur aber auch in das Selbstverständnis der Architekt*innen übersetzt haben. Interviews mit weniger publizierten Zeitzeug*innen und die Archive grosser Bau- und Generalplanungsfirmen (z.B. Burckhardt + Partner oder Suter + Suter) sowie deren Hauszeitschriften (so z.B. die Arch von Eternit) bieten hierfür eine interessante Grundlage jenseits jeglicher Stararchitektur.
Erste Ergebnisse zeigen, dass die postmoderne Alltagsarchitektur – wenn auch nicht beachtet, oftmals verdrängt und selten geliebt – als «elephant in the room» präsenter ist als manche denken: inklusive Kitsch, Pop, semiotischen Spielereien und plakativen Historismen.
«Auf den Spuren der Postmoderne» ist ein Promotionsprojekt an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, betreut durch Prof. Dr. Sylvia Claus.
Cyril Kennel
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